Natürliche Süße – und acht weitere Eigenschaften
Süße
Die Hauptfunktion des Zuckers in Lebensmitteln ist es, Süße und Energie zu liefern.
Unser Geschmackssinn kann vier grundlegende Geschmacksrichtungen erkennen: süß, sauer, salzig und bitter. Der erste Geschmack, mit dem wir in Kontakt kommen (Muttermilch), ist süß. Das ist möglicherweise der Grund dafür, dass wir Süße mögen und sie positiv deuten.
Unsere angeborene Neigung zur Süße kann auch daran liegen, dass in der Natur süße Produkte selten giftig sind – im Gegensatz zu vielen bitteren Substanzen.
Die einzige Möglichkeit, einen süßen Geschmack zu definieren, ist die Beschreibung „es schmeckt wie Zucker“. Zucker verfügt über eine einzigartig klare Süße, die völlig frei von Fremd- oder Nachgeschmack ist.
Süße können wir nicht messen. Sie ist, in anderen Worten, ein subjektiver Sinneseindruck, der über die Geschmacksnerven in den Geschmacksknospen auf der Zunge ans Gehirn geleitet wird.
Dieser Sinneseindruck wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: der Konzentration des Süßungsmittels, Temperatur, pH-Wert, weiteren Inhaltsstoffen und die Empfindlichkeit der Person. Subjektive Faktoren wie Aussehen und Farbe können das Geschmacksempfinden ebenfalls beeinflussen.
Eine Substanz kann dann süß schmecken, wenn sie wasserlöslich ist und ihre Konzentration die Geschmacksschwelle überschreitet. In Lebensmitteln kommen Süßungsmittel häufig in Konzentrationen deutlich über dem Schwellenwert vor. Um die Intensität eines Süßungsmittels zu beschreiben, berechnen wir daher die „relative Süße“ der Substanz.
Die relative Süße ist das Maß dafür, wie süß eine Substanz im Verhältnis zu Zucker ist. Wir vergleichen verschiedene Konzentrationen eines Süßungsmittels mit einer Referenzlösung, die aus Saccharose besteht (üblicherweise 5 – 10 %). Gewöhnlicher Zucker hat den Vergleichswert 1.
Im Vergleich zu den hochintensiven Süßungsmitteln, die oft hundertfach süßer sind als gewöhnlicher Zucker, verfügen die natürlichen Zuckervarianten über eine relativ geringe Süße.
Zucker | Süße |
Saccharose | 1 |
Glukose | 0,6 – 0,7 |
Fruktose | 0,8 – 1,7 |
Invertzucker | 1 |
Glukosesirup, DE = 60 | 0,3 – 0,6 |
Glukosesirup, DE = 40 | 0,3 – 0,4 |
Geschmack und Aroma
Eine wichtige Eigenschaft des Zuckers ist, dass er Geschmack und Aroma sowohl oberhalb als auch unterhalb des Schwellenwerts verstärken kann.
So kann beispielsweise eine geringe Menge Zucker den Geschmack nahrhafter, aber saurer oder bitterer Lebensmittel verbessern. Die aromaverbessernden Eigenschaften werden in einer Vielzahl von Lebensmitteln genutzt, z. B. in Brot und Fruchtprodukten.
Eine geringe Menge zusätzlicher Zucker kann den Geschmack von gekochtem Gemüse und Fleisch verstärken, ohne das Gericht süß zu machen. Man kann in anderen Worten Zucker in so geringen Mengen zum Aromatisieren verwenden, dass er unter die Geschmacksschwelle für Süße fällt, also unter etwa 1 % Zucker.
Traditionell geben Menschen in die Soße zum Braten oder zur Leberpastete schon immer eine kleine Prise Zucker bei.
Volumen
Zucker kann sich auf Gewicht und Volumen von Lebensmitteln auswirken. Bei Flüssigkeiten sind diese Auswirkungen sehr gering.
Auf das Volumen von Backwaren kann Zucker jedoch auf unterschiedliche Weisen einwirken.
Er erhöht das Volumen von herzhaften Broten, weil die Hefe den Zucker/Sirup ganz oder teilweise aufspaltet und ihn in mehrere Bestandteile, darunter auch Kohlendioxid, umwandelt. Dieses Kohlendioxid erhöht das Volumen des Brotes und macht es lockerer.
Bei süßen Kuchen wie Biskuit- und Napfkuchen sorgt der Zucker für Volumen. Der Zucker ist immer noch physisch vorhanden. Würden wir bei diesen Produkten keinen Zucker mehr verwenden, würde die Energiemenge, die aus Fett bezogen wird, ansteigen.
Textur
Die Textur eines Lebensmittels trägt wesentlich zum Mundgefühl bei. Neben Geschmack und Aussehen bestimmt auch das Mundgefühl, ob wir den Verzehr eines Lebensmittels als angenehm empfinden.
Zucker wirkt sich auf die Textur aus, indem er Produkten wie Brot, Marmelade und alkoholischen Getränken Volumen und Stabilität verleiht.
Bei Brot beeinflusst er durch die Beschleunigung des Fermentationsprozesses das Teigvolumen. Dadurch wird die Struktur des Brotes lockerer und die Krume weicher.
Bei der Herstellung von Marmelade und Gelee ist es wichtig, das richtige Gleichgewicht zwischen Zucker, Pektin und Säure zu finden. Die Fähigkeit des Zuckers, in Kombination mit Pektin zu gelieren, ist für die Konsistenz des Produkts unabdingbar.
Zu viel Zucker könnte kristallisieren, während zu wenig Zucker dazu führen könnte, dass der Gelierprozess nicht gelingt. Wenn der pH-Wert zu hoch ist, läuft der Gelierprozess nicht vollständig ab, wohingegen bei zu niedrigem pH-Wert das Gelee instabil und flüssig wird.
Durch die Verbindung mit Fruchtpektin und Säuren im richtigen Verhältnis sorgt Zucker bei Gelee oder Marmelade für die richtige Konsistenz. Bei Früchten mit sehr geringem Pektingehalt kann es jedoch notwendig sein, Pektin zuzugeben, um die richtige Konsistenz zu erreichen.
Zucker ist wichtig für den „Körper“ von Getränken, also dafür, wie vollmundig sie sind. Das wirkt sich auf die Empfindung im Mund aus und damit auf den Geschmackssinn.
Haltbarkeit
Die konservierenden Eigenschaften von Zucker werden in Produkten wie Marmeladen, Säften und bei eingelegten Produkten genutzt.
Lebensmittel werden konserviert, um das Wachstum von Mikroorganismen zu hemmen, die das Produkt verderben, und um krankheitserregende Mikroorganismen zu vermeiden.
Mikroorganismen brauchen für ihr Wachstum Wasser. Dieses nehmen sie über ihre äußere Zellschicht auf. Wenn die Zuckerkonzentration in einem Produkt auf ein bestimmtes Niveau steigt, können die Zellen kein Wasser mehr aufnehmen. Durch die verringerte Verfügbarkeit von Wasser wird das Wachstum der Mikroorganismen gehemmt.
Die Zugabe von Zucker zu einer Lösung erhöht den osmotischen Druck, was die Wachstumsmöglichkeiten der Mikroorganismen verringert. Durch die Schaffung der für Mikroorganismen ungünstigsten Kombination aus beispielsweise pH-Wert, Wasseraktivität und Temperatur kann der Anteil der Konservierungsmittel reduziert werden. Zucker kann dabei eine wichtige Rolle spielen.
Da er Wasser bindet, reduziert die Zugabe von Zucker die Wasseraktivität. Je geringer die Wasseraktivität ist, desto höher ist die Haltbarkeit eines Produktes.
Fermentation
Seit Jahrhunderten wird die Fermentation zur Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt.
Der Fermentationsprozess beinhaltet normalerweise den Einsatz von Hefe und einem Kohlenhydrat, wie beispielsweise Zucker, als Energieträger.
Bei der Herstellung von Brot ist es üblich, dem Teig eine geringe Menge Zucker beizufügen, um der Hefe einen Anstoß zur Entwicklung von Kohlendioxid zu geben. Beim Backen nährt der Zucker die Hefe: die Enzyme der Hefe wandeln den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um. Das Endprodukt enthält daher nicht immer Zucker.
Eine geringe Menge Zucker (oder Sirup) sorgt dafür, dass die Hefe schneller und effektiver fermentiert als ohne Zuckerzugabe. Das Kohlendioxid lässt den Teig aufgehen und macht das Brot locker.
Absenkung des Gefrierpunkts
Zucker wirkt sich auf den Gefrierpunkt von Lebensmitteln aus.
Je höher die Zuckerkonzentration ist, desto niedriger ist der Gefrierpunkt.
Ein niedriger Gefrierpunkt ist für Speiseeis und gefrorene Desserts wichtig. Er verringert das Risiko, dass sich große Eiskristalle bilden. Kleine Eiskristalle wirken sich positiv auf die Empfindung im Mund aus und damit auf den Geschmack.
Dieser Effekt (Senkung des Gefrierpunkts) geht auf die Anzahl der Moleküle je Gewichtseinheit zurück. Das heißt, dass Glukose, Fruktose und Invertzucker den Gefrierpunkt von Lebensmitteln effektiver senken als normaler Zucker.
Farbe
Zucker kann vielen Lebensmittelprodukten eine appetitliche Farbe verleihen. Das kann durch Karamellisierung oder die Maillard-Reaktion geschehen oder, weil Zucker Farben erhalten kann.
Die Maillard-Reaktion (eine Reaktion zwischen Zucker und Aminosäuren) löst die Bräunung und Entstehung von Aromen bei Produkten wie Brot und Kaffee aus. Sie ist eine hochkomplexe Reaktion, zu deren Endprodukten die Pigmentierung gehört, die für die Farbgebung und das Aroma sorgt.
Karamellisierung bezieht sich auf eine Dehydrierung von Zucker und findet statt, wenn ein Zucker auf über 100 °C erhitzt wird. Der Grad der Karamellisierung steigt mit der Temperatur und hängt vom pH-Wert ab.
Die Zuckermoleküle werden zunächst aufgespalten, sodass die einzelnen Substanzen miteinander, mit Wasser und mit dem noch nicht aufgespaltenen Zucker reagieren und in eine Masse aus köstlichen, süßlich schmeckenden Molekülen umgewandelt werden.
Produkte wie Karamellsauce und Zuckercouleur basieren auf der Karamellisierung.
Zuckercouleur ist eine Lebensmittelfarbe, die durch das Erhitzen alkalischer Zuckerlösungen hergestellt wird, um eine Karamellisierung zu erreichen. Sie wird in Softdrinks, Bier, Konfekt, Suppen und Saucen verwendet.
Zucker sorgt auch dafür, dass Marmeladen ihre Farbe behalten, weil die Früchte so an der Wasseraufnahme gehindert werden.
Feuchtigkeitsspeicherung
In Produkten wie Keksen und Hartkaramell, die geringe Mengen Wasser und hohe Mengen Zucker enthalten, ist der relative Feuchtigkeitsgehalt niedriger als die Umgebungsfeuchtigkeit. Ohne Schutzverpackung würden diese Produkte die Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen.
Die Fähigkeit von Zucker, Wasser in Lebensmitteln zu binden, basiert auf dem Verhältnis zwischen kristallinem und gelöstem Zucker. Jede Veränderung des Verhältnisses bei der Produktion oder Lagerung beeinflusst die Menge an Wasser, die das Lebensmittel binden kann.
Da Zucker Wasser bindet, werden durch ihn Reaktionen verzögert, die Wasser benötigen. Die Haltbarkeit von Brot erhöht sich, weil Zucker dafür sorgt, dass Wasser länger im Brot gespeichert wird.
Die Stärke im Brot geliert langsamer, wenn der Teig Zucker oder Sirup enthält. Bei der Teigführung spaltet die Hefe Zucker in Glukose und Fruktose auf und verbraucht mehr Glukose. Damit verbleibt Fruktose im Teig und nach dem Backen im Brot. Die Fruktose bindet Wasser im Brot, das beim Altbacken werden, einer Strukturänderung der Stärke, beteiligt ist. So bleibt das Brot länger frisch.